Mittwoch, 27. Oktober 2010

Dialogue Exposure (17.-24.10.)

Dialogue exposure

Seit einigen Tagen bin ich von meiner zweiten kleinen Reise zurueck, die laenger, aber auch wesentlich weniger nervenaufreibend war, als diejenige nach Kodaikanal. Vier Tage lang durften wir mit den Bachelorstudenten des Abschlussjahrgangs auf eine Exkursion zu verschiedenen Tempeln und anderen religiösen Orten.

Jedes Jahr werden die TTS-Studenten auf eine solche "exposure" geschickt. Je nach Jahrgang gibt es verschiedene Themen. Die letzte Exkursion - im 4. Studienjahr - ist dem interreligiösen Dialog gewidmet.Das Programm findet auf Tamil statt, also wurden uns Übersetzer zugeteilt,die für uns zuständig waren. Im Laufe der Woche übersetzten aber viele verschiedene Leute für uns.
Am Sonntag dem 17.10 begann das Programm in Madurai. Bis Mittwoch war vor Ort Programm - es gab Gebete, Vorträge und Besuche bei einem buddhistischen Mönch, in einem Jaina-Tempel und im Meenakshi Amman Kovil, den großen Hindu-Tempel in Madurai.

Der Buddhist
Am Montag nachmittag ging es mit dem Bus zu einem etwas außerhalb von Madurai gelegenen buddhistischen Zentrum. Dort erwartete uns ein Mönch, der auch im TTS unterrichtet, vielen also schon bekannt war. Ich konnte nicht umhin, festzustellen, dass unser Gastgeber, schon was seine Figur betraf, den gängigen Vorstellungen von Buddha selbst ziemlich genau entsprach. Später erklärte er uns auch, dass bei zunehmend starker Meditation vor der Buddha-Statue, auch äußerliche Ähnlichkeiten mit dem Meister auftreten, machte dies aber vor allem an der Form seiner Ohren deutlich, die derjenigen des Buddha weit ähnlicher sei,als der irgend eines seiner Familienmitglieder. Tatsächlich war aber auch der Buddha im Garten, den wir besichtigen durften, von eher schlanker Figur.
Von seinem Gespräch mit den Studenten haben wir leider zu wenig mitbekommen. Obediya, meine Übersetzerin, gab sich zwar wirklichMühe und spricht auch ein wirklich gutes Englisch, aber auch sie war natürlich sehr damit beschäftigt, zuzuhören und neue Eindrücke zu verarbeiten.
Im Kern ging es, wenn ich das richtig mitbekommen habe, um die Unterscheidung von need und desire (gerade frage ich mich, wie man das am besten wiedergeben kann, vielleicht mit Bedürfnis und Verlangen). Letzteres, also seine Leidenschaften, seine Begierden nach nicht unbedingt notwendigen Dingen, soll der Mensch - so unser Gastgeber - nach der buddhistischen Lehre überwinden und in positive Kraft umwandeln. Darüber habe ich lange nachgedacht und auch mit Steffi uns Sarah nochmal besprochen. Natürlich weiß ich, dass ich mir manchmalmit dem ersehnen (oder begehren) von nicht Realisierbarem das Leben schwer mache, ebenso kommt es vor, dass ich die Kraft, die durch möglicherweise überzogene Emotion verloren geht, vielleicht weiser eingesetzt werden könnte - das ist schon ein richtiger Punkt. Aber würde ich ohne all diese (manchmal unerfüllbaren) Wünschen, Sehnsüchten udn Emotionen noch ein menschliches Leben führen. Würde ein solches Leben Spaß machen? Und vor allem: Würde es mich wirklich weiterbringen? Lerne ich mich nicht gerade im Durchleben all dieser Gefühle kennen und gerade dann, wenn ich mich ihnen auch mal hingebe, sie würdige, auch dann, wenn ich sie nachher vielleicht als unsinnig erkenne? Darf das "desire" nicht auch mal bleiben, was es ist?
Aber vielleicht sind das ja auch zwei Seiten einer Medallie, vielleicht gehören ja das Durchleben und das Besiegen von Begierden zusammen. Allerdings würde ich nicht gerade von "besiegen" sprechen, eher davon, diese Gefühle in angemesse Bahnen zu lenken...
Kerstin hat uns angeboten, den Mönch nochmal zu treffen, zumal der auch Englisch spricht. Vielleicht bringt mir das auch neue Erkenntnisse...
Buddha im Garten


Tempel in Madurai
Am Dienstag besuchten wir einen Jaina-Tempel in Madurai. Leider weiß ich noch zu wenig über diese Religion, um wirklich etwas Qualifiziertes dazu sagen zu können. Strenge Jains tragen eine Mundschutz und fegen den Boden vor ihren Füßen, um nicht aus Versehen ein Tier zu verschlucken oder zu zertreten, denn jedes noch so kleine Tier, das getötet wird, wirkt sich, so glauben sie, negativ auf ihr Karma aus. Im Tempel selbst habe ich aber keine solchen Jainas gesehen. Hier habe ich also ein Thema entdeckt,über das ich noch viel lernen kann.
Eigentlich ging es mir auch in den Hindu-Tempeln, die wir besichtigten, kaum anders. Über Hinduismus habe ich zwar das eine oder andere schon gelesen, da dieser Begriff aber eine von außen (von den britischen Kolonialherren) herangetragene Bezeichnug an die Vielfältigen Kulte und Traditionen Indiens ist, auf die auch die Bezeichnung "Religion" (zumindest mit unserem Verständnis davon im Kopf) schwierig anzuwenden ist und vor allem eine unglaubliche Vielfalt herrscht, ist eben auch mein Wissen daüber nur sehr begrenzt.
Aber auch ohne viel Wissen beeindrucken die Tempel schon auf Grund ihrer Architektur und des Lebens, das darin stattfindet. Der Meenakshi-Tempel ist sehr weitläufig, bietet viele verschiedene Räume, viele Menschen sind unterwegs. Den Eindruck zu beschreiben ist fast unmöglich. Leider waren wir nur kurz da. Kerstin wird aber noch eine Führung für uns (die sechs Deutschen) machen, dann werde ich sicher mehr lernen und auch Fotos vom Inneren des Tempels machen.
Am Mittwoch abend hatten die Männer Gelegenheit, eine Moschee zu besichtigen. Wir leider nicht, denn Frauen dürfen in Indien nicht in Moscheen. Uns wurde auch berichtet, dass von dem Gastgeber dort nicht eben nette Dinge über Frauen gesagt wurden. Vielleicht war es ganz gut, dass ich nicht da war...

Der Meenakshi-Tempel


Die erste Reise-Etappe
Am Donnerstag früh (wirklich früh, um fünf Uhr morgens) ging dann die Fahrt los. Zunächst nach Trichy, wo wir in einer Kirche zum Frühstück eingeladen waren und dann mit Kleinbussen zu drei Tempeln fuhren. Von denen fliegen so viele Eindruecke in meinem Kopf durcheinander, dass ich kaum mehr weiß, welches Bild, welcher Gedanke zu welchem Tempel gehört. Dabei wäre es spannend gewesen, die Unterschiede feststellen und behalten zu können. Klar ist: In den brahmanischen Tempeln der "Hochreligion" dürfen keine Nichtinder, eigentlich auch keine Nichthindus,in das Allerheiligste des Tempels, in den Schrein, in den eher volkstümlichen Tempeln ist das hingegen möglich. Leider gerieten wir in einem solchen in eine viel zu lange Schlange und hatten viel zu wenig Zeit, sodass uns auch dort der Blick ins Innerste des Tempels nicht möglich war. Ein Abenteuer war das trotzdem, denn es waren - vermutlich um den Menschenandrang in Bahnen zu lenken - aus Metallzäunen sehr enge Gänge aufgebaut, durch die man zum Schrein hindurchgehen musste. Erst, als wir schon eine Weile gegangen waren, sahen wir die lange Schlange, die uns erwartete, und wussten, dass wir, sollte wir uns anstellen, nicht pünktlich zum Bus würden kommen können. So beschlossen, wir, wieder zum Anfang des Gangsystems - also gegen die eigentliche Richtung - wieder hinauszugehen. Da war es nun aber voll geworden und in den knapp bemessenen Gängen war es kaum möglich, dass sich zwei Menschen aneinander vorbeischieben konnten. Teilweise mussten wir ein Stück an den Zäunen hinaufklettern, um den in die Gegenrichtung Gehenden Platz zu machen. Ein Foto davon wäre sicher sehr lustig gewesen, aber ans Fotografieren dachte niemand, zumal wir auch voll und ganz mit Festhalten beschäftigt waren. Gleich im ersten Tempel, den wir besuchten, konnten wir - rein zufaellig im Vorbeigehen - bei einer Hochzeit zugucken, wobei die (sehr kleine) Hochzeitsgesellschaft unseren Besuch offenbar ebenso spannend, wie wir das Zeremoniell...
Wir schliefen - wie auch in den weiteren Nächten -in zwei Kirchen (eine für die Männer, eine für die Frauen) in Cuddalore. Wir schliefen auf Matten auf dem Boden, aber so müde, wie ich jedes Mal war, bemerkte ich das kaum. Das Bad allerdings war eine Sache für sich. Dort herrschte, wie Sarah schön formulierte, "eine erstaunliche Artenvielfalt"...


Die Hochzeit

Ein Tempeltor


Ein Elefant im Tempel

Der tanzende Gott
Am Freitag besuchten wir einen weiteren Tempel, in dem Shiva als König des Tanzes verehrt wird. Viele Bilder zeigen den Gott in einem ganz offenbar atemberaubenden Tanz. Eine Geschichte erzählt, wie Shiva mit Shakti (einer weiblichen Gottheit) um die Wette tanzte. Dabei verlor er einen Ohrring. Da er den Tanz aber nicht unterbrechen wollte, hob er den Ohrring mit dem Fuß auf und befestigte ihn - ebenfalls mit diesem Körperteil - wieder am Ohr, ohne mit dem Tanzen aufzuhören. Das konnte Shakti ihm nicht nachmachen - nicht verwunderlich, meine ich. Liebe Heidelberger TäzerInnen - wenn denn ein paar von euch das hier lesen - da habt ihr doch mal eine neue Figur, an der ihr arbeiten könnt. Ich bin gespannt, wie weit ihr bei meiner Rückkehr gekommen seid und wer König oder Königin des Tanzes wird ;-)
Der tanzende Gott


Zum erstem Mal an der indischen Küste
Freitag abend durften wir abends für eine Stunde ans Meer. Am Strand von Cuddalore, wo es langsam dunkel wurde, liefen wir mit aufgekrempelten Hosenbeinen ein Stück ins Wasser, wurden dabei wegen der Wellen nasser als geplant und hatten sehr viel Spaß dabei ;-) Lisa und Magda sagen "My Bonnie is over the ocean" und noch ein paar andere Lieder. Ich hatte furchtbar Lust zu schwimmen, aber natürlich keine Badeanzug dabei - zumal keinen, der für indische Ansprüche genug bedeckt. So einen werde ich mir noch kaufen müssen. Es war aber schon wunderbar und entspannend, einfach das Wasser um die Beine fließen zu fühlen und in die Ferne zu gucken... Nach den letzten beiden spannenden aber anstrengenden Tagen tat mir das sehr gut.
Spass im Wasser

Ein Anblick zum Ausruhen...

Pondicherry
Am nächsten Tag standen zwei interessante Punkte auf dem Programm: Über Auroville fuhren wir nach Pondicherry. Auroville ist ein Ort nahe bei Pondicherry, wo eine internationale Gemeinschaft lebt, die mit Auroville einen Ort der Erziehung schaffen will, eine Gemeinschaft, die die menschliche Einheit verkoerpert, einen Ort "materieller und spiritueller Forschung". Eigentlich wollte ich euch die (sehr kurze) Charta hoer rein kopieren, aus irgend einem technischen Grund geht das aber gerade nicht. Ihr koennt aber einfach mal bei Wikipedia "Auroville" eigeben, da findet ihr die und noch einiges andere Wissenswerte.
Etwas seltsam fand ich es, dass einerseits betont wurde, die Gemeinschaft wolle keine neue Religion gründen, ja sogar über die bestehende hinausgehen (das zumindest wurde in einem kurzen Infofilm gesagt), andererseits aber von einer "divine consciousness" gesprochen wurde, der man als Bewohner von Auroville dienen solle. Und, dass ein unglaublich großes, aufwändiges Meditationsgebäude errichtet wurde, in dem man eben jene "divine consciousness" meditativ erfahren soll... wenn das nicht zumindest pseudoreligiös ist... Ich moechte da auf jeden Fall nochmal hin, mir mehr Zeit nehmen und dem nachgehen...
Ein Baum mit vielen Staemmen


Das Zetrum von Auroville

Besonders schön - neben all diesen spannenden Menschheitsfragen - war jedoch der weitläufige Park, der es endlich einmal wieder ermöglichte, einfach eine Weile ruhig im Gras zu liegen. Und er bot einen besonderen Baum, dessen Namen ich leider vergessen habe: Er bildet an den Ästen neue Stämmemit Wurzeln, die von oben wieder in den Boden wachsen.

In Pondicherry mussten die TTS-Studenten den Dozenten persönliche Rückmeldungen geben und diskutieren. Da auch das auf Tamil stattfand hatten wir 5 Deutschen frei und genossen die Strandpromenade, ein Café, bummelten durch ein paar Straßen und sahen dann lange dem Sonnenuntergang und Mondaufgang am Meer zu. Wunderschön... dort werde ich mit Dominik Silvester feiern :-)!!!
Die Strabdpromenade in Pondicherry

Sonnenuntergang am Meer
Und der Mond...

Und zurück
Am Sonntag gab es dann noch einen Gottesdienst, eine letzte Austauschrunde und sehr leckeres Mittagessen. Dann gings (8 Stunden lang) mit dem Bus zurück nach Madurai. So müde, wie an diesem Abend bin ich lange nicht mehr ins Bett gefallen!

Und nun?
Was sagt mir nun diese dialogue exposure zu der Frage, die ich so spannend finde - wie interreligiöser Dialog woanders stattfindet, insbesondere in einem Land,indem seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden viele Religionen nebeneinander beheimatet sind und wie gehen Christen, die sich in ihrem Land nicht in der Minderheit befinden, an diesen Dialog heran... Vieles, was mir darüber Aufschluss hätte geben können, habe ich vermutlich auf Grund der Sprachbarriere nicht mitbekommen, also kann ich nur eine sehr vorläufige und vorsichtige Antwort geben. Das Wichtigste - und eigentlich auch Selbstverständlichste -ist, dass auch hier nicht vom generellen Standpunkt des Inders an sich gesprochen werden kann. Wir konnten viele verschiedene Menschen und also auch Herangehensweisen beobachten. Einige wussten bereits viel über Hindutempel, konnten uns einiges erzählen, andere wussten vielleicht weniger, manche schienen eher unreflektiert ihren christlichen Standpunkt vorauszusetzen, andere hatten ihre Denkweise und deren Ausgangspunkt sehr genau reflektiert. Aber so unterschiedlich sie an den Dialog herangingen - ich habe niemanden getroffen, der ihn nicht für wichtig gehalten hätte. Mehr lässt sich fast nicht sagen. Hoffentlich kriege ich den Kurs "Christianity an other Faithes" in meinen Stundenplan (noch fehlen uns die Zeitangaben zu den Kursen, sodass wir nicht planen können), vielleicht werde ich dann mehr erfahren und begreifen.

Auf jeden Fall hat sich die exposure schon wegen der vielen netten Smalltalks und längeren Gesprächen mit vielen der Studenten gelohnt, von denen sich einige besonders nett um uns kümmerten, uns übersetzten und erklärten. So haben wir viele Leute kennen gelernt und fühlten uns in der Gruppe sehr wohl :-) Hoffentlich geht das mit Semesterbeginn so weiter.

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